Über ‚Palmbülbül und Wundersylphe’

Offenbachiade (Boulevarette)

von Rainer Lewandowski

Musik: Jacques Offenbach

Arrangement: Benjamin Köthe

 

2 D, 2 H, 1 Dek.

 

Diese ‚musikalische Komödie‘ spielt immer in der Stadt, in der sie aufgeführt wird.

Zwei Paare gehen ins Theater, nicht nur in das Theater in dem dieses Stück gerade gespielt wird, sondern auch noch in genau in die Aufführung des Stückes in dem Theater, dass sie gerade selbst spielen. Sie treffen sich dort zufällig im Foyer und verabreden sich für ein Treffen anschließendes im Hotelzimmer - nach dem Stück.

Die Zuschauer dieser Aufführung sind also bis inklusive Pause mit den Personen im Stück zeitlich gleich auf, nach der Pause haben die Personen aus dem Stück sie zeitlich überholt. Sie reden dann gelegentlich über Dinge, die das Publikum erst nach ihnen sehen wird.

Dieses Spiel mit der Zeit ist aber nur ein interessanter Aspekt dieser Offenbachiade.

Ein anderer ist: Das Stück behandelt zwei Lebensformen: Ehe oder nicht Ehe. Dabei nähert es sich einem vorhandenen, aber ‚geheimen‘ Thema in unserer Gesellschaft:

Es geht um die (individuelle) Zufriedenheit mit der Sexualität in der Ehe und in anderen Zweierbeziehungen.

Die Attraktivität des Partners sinkt in Laufe der Jahre, die beruflichen Belastungen steigen, die Kinder kommen hinzu. Um nicht in sozialdramatischer Ernsthaftigkeit zu versinken, ist dieses Thema deshalb hier in der Form der ‚Boulevard‘-Komödie bearbeitet mit der entspannenden Möglichkeit des befreit ‚Darüberlachens’, des ‚Überdieanderenlachens‘…

Über die Hälfte der in einer Umfrage Befragten ist mit seinem Sexualleben unzufrieden. Darüber zu sprechen, ist aber nach wie vor schwer oder gar tabu.

Paartherapien nehmen stetig zu.

Die Boulevarette versucht es, neben aller Unterhaltungsabsicht, zu ermöglichen, dass dieses Thema zwischen den Paaren zu Hause vielleicht wieder aufgegriffen wird. Das Publikum erkennt sich im stillen und geheimen Innern in den Personen trotz oder gerade wegen aller Komik wieder…

 

Spielort ist ein, genauer: sind zwei Hotelzimmer, die ziemlich ähnlich aussehen, mit angrenzendem Bad, begehbarem Kleiderschrank und separater Toilette.

Das eine Zimmer hat die Nummer ‚36’, das andere die Nummer ‚39’.

Knallt man die Tür zu oder an den Türstopper, dreht sich die Ziffer ‚6’ auf Ziffer ‚9’ und umgekehrt. Aus Zimmer ‚36’ wird Zimmer ‚39’ - und umgekehrt.

Das führt unweigerlich zu komödiantischen Verwechslungen.

Das Stück spielt sowohl in Zimmer ‚36’ wie in Zimmer ‚39’.

 

Hermann (Maus) und Barbara (Liebling), ein Ehepaar, kommen ins Hotelzimmer. Sie sind angereist, um am Abend in eine Komödie zu gehen, und zwar in das Theater, in dem das Stück gerade gespielt wird. Sie leben seit längerem nett und freundschaftlich nebeneinander her, ohne nennenswerte Höhepunkte, aber schon mit gewohnten scharfen Spitzen gegeneinander. Auch an diesem Abend geraten sie in Streit, weil einer von ihnen, es ist nicht mehr genau zu rekonstruieren, die Theaterkarten vergessen hat. Der Streit entflammt verstärkt, weil Maus, als er Liebling beim Umkleiden sah, doch mal wieder Lust auf Liebling bekommen hat, Barbara aber weder Frisur noch bereits angelegte Kleidungstücke zerdrücken möchte. Eine kleinliche Auseinandersetzung ist die Folge, mit dem Ergebnis, dass Liebling losgeht zu versuchen, neue Theaterkarten zu bekommen.

Als sie geht, knallt sie die Tür.

Aus ‚36’ wird ‚39’.

Maus macht sich weiter ausgehfertig, da versucht jemand, das Schloss zu Zimmer ‚36’, der falschen ‚39‘, zu öffnen. Als er auch nach längeren Versuchen nicht aufgibt, öffnet Hermann die Tür. Der fremde Herr tritt mit Koffer ein.

Auf einmal erkennt der fremde Herr Maus, sprich: Hermann, seinen alten Schulkameraden! Lange nicht gesehen, aber sie sind sofort wieder miteinander vertraut. Alte Frauengeschichten kommen auf.

Hermann berichtet Frank, was er hier in der Stadt wolle, dass seine Frau die neuen Theaterkarten besorgt und überhaupt seine Frau... tote Hose...

Frank, Biologe mit Schwerpunkt Ornithologie, berichtet, dass er nicht verheiratet sei, auch nie heiraten wolle. NIE!

Wie er auf seine Kosten komme?

Er mietet sich für die Nacht ein junges Mädchen als Begleitservice. Er habe schon angerufen. Keine Scherereien, keine langen Werbungsphasen und Werbungskosten, keine Verpflichtungen: eben alles Frank und frei.

 

Alles scheint ganz einfach - wenn da nicht die sich drehenden Zimmernummern wären und peinliche Verwechslungen vorprogrammiert sind…

 

Diese ‚Boulevarette‘ enthält wie eine Operette, Musik, Lieder und wunderschöne Melodien von Jacques Offenbach, zu denen Rainer Lewandowski neue Texte geschrieben hat. Diese Songs und Duette begleiten die Handlung, von der Barcarole bis zum Cancan.

‚Ich bin dein wilder Mäuserich‘

‚Lebenslang musst du dann teilen‘

‚Eine Frau nach Jahren der Ehe‘

‚Ach hätt ich doch diesen Irrtum nicht zu früh bemerkt‘

‚Palmbülbül und Wundersylphe‘ (Barcarole)

‚Immer geht es husch, husch, husch‘

‚Diese Füßchen…‘

und so weiter, und so weiter…

 

Diese musikalische Komödie kann begleitet werden von einem kleinen Orchester,

von einem Piano,

oder von einem Playback der Orchesteraufnahmen.

Alle musikalischen Materialien ist vorhanden. (Arrangement: Benjamin Köthe)

 

Verlag: Hartmann & Stauffacher, 50 672 Köln, Bismarckstr. 36